Freitag, 20. Februar 2009

ashes

21x14.5cm, collage und acryl auf papier

staubpartikel
fein gemahlen
wie mehl - nur grauer

knochenkörner
weiss
wie muschelsplitter - mittendrinn

den wunsch
die hand einzutauchen
ins graue mehl

meine hände zu füllen
fühlen wie es durch die finger rinnt
wie du mir entgleitest
- wörtlich

Dienstag, 10. Februar 2009

labyrinth

von hanna

Der Tag an dem ich Witwe wurde, war lange vor meinem Hochzeitstag. Ich trug nie ein weisses Kleid. Nur der Boden war weiss. Weiss in Weiss. Die Erde trägt die der Braut vorbehaltene Farbe.

Ich stehe im Schnee. Hoch ist er und der Boden auf dem meine Füsse ein bisschen einsinken ist pulvrig weich, hier oben auf dem Berg, wo wir uns immer ein bisschen freier fühlten, als im Tal zu seinen Füssen.

In meinem Labyrinth geh ich immer vorwärts. Durch unzählige Türen, die sich hinter mir schliessen um sich nie wieder zu öffnen. Jede gewählte Tür geht nur einmal auf. Jede Wahl ist im Labyrinth eine Endgültige.

Wie lang kann eine Nacht sein, die man wartend in einer Küche sitzt. In einer Nacht in der schon eine Stunde länger ist als all die Zeit in meiner Erinnerung zusammengenommen.
Es war auch der Tag, an dem meine Kinder starben. Nicht alle. Nicht die, die ich noch nicht geboren habe. Bloss die, die ich nun nie gebären werde. Doch tröstet mich das jetzt kein bisschen.

Meine toten Kinder liegen im Schnee. Gleich neben seinem gefrorenen Körper. Hier auf diesem Berg der eigentlich schön sein sollte, mit Blick aufs Tal.

An diesem Tag, der eigentlich wie jeder andere hätte sein können.

Im Labyrinth ist wählen Pflicht. Nicht zu wählen bleibt als einzige Wahl versagt. Jeder Raum hat unzählige Türen, eine öffnen heisst wählen, heisst, in den nächsten Raum zu gelangen, heisst unzählige andere Räume nie zu sehen.

Beim Telefonklingeln verbiete ich mir Hoffnung und Angst gleichermassen, und komme doch gegen beides nicht an. Die Hoffnung stirbt zuletzt, in dieser Nacht, die aus Stunden besteht. Stunden, die nicht vergehen, an die ich mich danach jedoch nicht einzeln erinnern werde.
In dieser Nacht stirbt die Hoffnung zuletzt. Erst am Morgen stirbt sie, Stunden nach ihm.

In manchen Räumen in meinem Labyrinth verweile ich nur kurz, nehme irgendeinen Ausgang, öffne eine scheinbar zufällige Tür. Es kommt aber auch vor, dass ich meine Entscheidungen mit Bedacht treffe. Dies scheint nicht sehr klug, da ich nie weiss, was für ein Raum hinter einer jeder Tür liegt. Ich stelle es mir dann einfach vor. Schmiede Pläne. So ein Mensch bin ich.

Da oben auf dem Berg im Schnee liegt meine alte Zukunft blass und von marmorner Konsistenz. Gefressen hat er sie, der Schnee. Zerkaut und speicheldurchtränkt hat er mir eine neue Zukunft vor meine kalten Füsse gespukt, die auf ihm stehen. In ihm stehen, da oben auf dem Berg, der dem Himmel ein bisschen näher scheint, als das Tal, auf das man blickt.

Ein davor und ein danach gibt es immer. Doch diese Nacht, oder der Morgen danach, teilt mein Leben in zwei Stücke. Exakt so, wie der Sturz seinen Nackenwirbel in zwei Stücke geteilt hat.

In diesem Raum meines Labyrinths bin ich gefühlte Ewigkeiten gewesen, habe mir viele Türen angeschaut, bin vor manchen stehen geblieben, hab bei manchen gar die Türklinke berührt, um zu spüren, wie sie sich in meiner Hand anfühlen. Plötzlich stand ich vor einer und konnte mich nicht mehr rühren. Keinen Schritt weg von meiner Tür.

Totenflecke, helle Haut blau verfärbend, verhöhnen meine Träume und entfremden mir meine alte Zukunft. Am gleichen Ort, beginnt meine neue Zukunft gerade ihre erste Lebensstunde, auf einem Berg mit Blick aufs Tal. Geboren aus Schnee.

Ich fühle mich allein, weil alles vor mir im Schnee liegt, nur ich nicht.
Ich fühle mich allein, weil alles in mir kalt ist, kälter als seine eisige Hand in meiner warmen.

Ich hatte schönere und grössere Türen gesehen in meinem Labyrinth, hatte mir traumhafte Räume hinter anderen ausgemalt. Trotz Zweifel blieb ich stehen vor meiner Tür.
Durchs Schlüsselloch spähend wurde mir klar, dass ich, wollte ich den ganzen Raum sehen, die Türe öffnen musste und alle anderen hinter mir lassen. Ich wollte.

Meine alte Zukunft ist zu jung gestorben. Weil Hilfe zu spät kam verlor ich ihn zu früh.
Weil niemand ihn fand, gefror das Blut zu Eiskristallen, in seinem Körper, der regungslos dasass, mit Blick aufs Tal.

Ich drehe mich um zum Telefon, das klingelt. Am Morgen danach. Am Morgen nach der Nacht. Er konnte nur noch tot geborgen werden aus dem Schnee auf dem Berg mit Blick aufs Tal. Ich denke daran, wie lange die Worte brauchen, vom Mund, durchs Telefon zu meinem Ohr in mein Bewusstsein und von da zu meinem Herz, das zwei Schläge verpasst und dann weiter schlägt weil nicht ich tot bin.

Ich drehe mich um, drehe meiner alten, jungen Zukunft im Schnee den Rücken zu, hebe meine neue Zukunft aus dem Schnee und ziehe sie an wie eine neue Haut.Ich drehe mich um und sehe plötzlich all die anderen Türen wieder, in meinem Labyrinth.