Mittwoch, 17. April 2013

sonho IV

32.5x40.0cm, collage, touche, stempelfarbe auf karton


Dienstag, 16. April 2013

nachts

Stunden wie zähflüssige Marmelade. Die Ruhe bohrt, und dennoch wünsche ich mir, dass es genau so bleibt. Nacht vor den Fenster, die Patienten schlafen. Seidenpapierstille, die jeden Moment zerbrechen kann.

M. F., 73, Pneumonie. Im Spital fühlte ich mich wirklich wohl. Klar wollte ich auch wieder nach Hause, aber es war eine angenehme Erfahrung.

J. G., 46, Meniskusriss. Die Ärzte waren freundlich, kompetent und nahmen sich Zeit. Es hat mich jedoch gestört wenn sie Fachbegriffen verwendet haben.

Ich streife durch die leeren Gänge. Im weissen Mantel bin ich Ärztin. Wie eine zweite Haut, denke ich. Ich lasse mich in der Umkleide zurück und werde sie.

Eine verwirrte Patientin will mitten in der Nacht nach Hause. Wegen ihrem Hund, sagt sie. Ich weiss nicht, ob sie einen Hund besitzt. Vielleicht hatte sie früher einen. Wir überreden sie noch ein wenig weiter zu schlafen.

T. G., 57, St. n. Schildrüsenkarzinom. Meine Ärzte haben mich medizinisch gut behandelt. Ich lebe immer noch und zwar nicht schlecht.

E. N., 35, Lungenembolie. Gesundheit bedeutet für mich viel und ich sollte mehr dafür tun. Ich versuche es auch täglich, habe aber meistens zu wenig Wille.

Ich denke an die sechs Jahre Studium, an die vielen Bücher und Prüfungsbogen. Damals hat ein kleines Kreuzchen bei A, B oder C genügt. Richtig oder falsch. Jetzt fragt keiner nach A, B oder C. Stattdessen wühle ich mich durch die unzähligen Schränke auf dem Notfall auf der Suche nach einer Pinzette, einem Medikament, einer Nierenschale.

P. Z., 34, Mandeloperation mit 6 Jahren. Ich erinnere mich wie ich mit Schürze und "Badekappe" eingekleidet, auf den Stuhl gehoben wurde und sie mir die stinkende Watte vor meine Nase hielten.

H. T., 50, Besucher. An einer Operation fände ich besonders schlimm, zu wissen, dass den Ärzten oder Schwestern einen Fehler unterlaufen könnte, sie sind auch nur Menschen.

Kaiserschnitt um Mitternacht. Wenn plötzlich das Telefon klingelt und dir gesagt wird, dass du in fünfzehn Minuten im Operationssaal gebraucht wirst.

Ich erinnere mich, als ich das erste Mal mit Mundschutz und Haube die gefliesten Räume mit dem grellen Licht betreten hatte. Ich denke daran wie sehr mich die Wärme des Patienten unter den sterilen Tüchern irritierte. Wie mir schwindelig wurde. Frisches Blut riecht nach Eisen. Koaguliertes Gewebe stinkt. Aber man gewöhnt sich daran.

A. S., 59, Rippenserienbruch. Ich hatte bis jetzt nur eine unangenehme Erfahrung im Spital: Das Aufwachen aus der Narkose nach der Gallenblasenoperation war unangenehm. Ein Gefühl wie Ersticken oder Ertrinken.

J. Z., 61, koronare Herzkrankheit. Die Ärztin die die Untersuchung gemacht hat war richtig witzig und gut drauf, aber trotzdem sehr professionell.

Nach langen Stunden wandelt sich der Himmel von schwarz über grau zu blau. Erstes Vogelgezwitscher. Eine weitere Nacht gut überstanden, denke ich, und trete nach dem Rapport in den Morgen hinaus. Ich wünsche meinen Kollegen einen guten Tag während sie mich mit "schlaf gut" verabschieden.


(Die Zitate sind in leicht abgewandelter Form echt und stammen von Freunden und Bekannten. Alter, Diagnose und Initialen sind frei erfunden.)