Stunden wie zähflüssige Marmelade. Die Ruhe bohrt, und dennoch wünsche
ich mir, dass es genau so bleibt. Nacht vor den Fenster, die Patienten
schlafen. Seidenpapierstille, die jeden Moment zerbrechen kann.
M. F., 73, Pneumonie. Im Spital fühlte ich mich wirklich wohl. Klar
wollte ich auch wieder nach Hause, aber es war eine angenehme Erfahrung.
J. G., 46, Meniskusriss. Die Ärzte waren freundlich, kompetent und
nahmen sich Zeit. Es hat mich jedoch gestört wenn sie Fachbegriffen
verwendet haben.
Ich streife durch die leeren Gänge. Im weissen Mantel bin ich Ärztin.
Wie eine zweite Haut, denke ich. Ich lasse mich in der Umkleide zurück
und werde sie.
Eine verwirrte Patientin will mitten in der Nacht nach Hause. Wegen
ihrem Hund, sagt sie. Ich weiss nicht, ob sie einen Hund besitzt.
Vielleicht hatte sie früher einen. Wir überreden sie noch ein wenig
weiter zu schlafen.
T. G., 57, St. n. Schildrüsenkarzinom. Meine Ärzte haben mich
medizinisch gut behandelt. Ich lebe immer noch und zwar nicht schlecht.
E. N., 35, Lungenembolie. Gesundheit bedeutet für mich viel und ich
sollte mehr dafür tun. Ich versuche es auch täglich, habe aber meistens
zu wenig Wille.
Ich denke an die sechs Jahre Studium, an die vielen Bücher und
Prüfungsbogen. Damals hat ein kleines Kreuzchen bei A, B oder C genügt.
Richtig oder falsch. Jetzt fragt keiner nach A, B oder C. Stattdessen
wühle ich mich durch die unzähligen Schränke auf dem Notfall auf der
Suche nach einer Pinzette, einem Medikament, einer Nierenschale.
P. Z., 34, Mandeloperation mit 6 Jahren. Ich erinnere mich wie ich mit
Schürze und "Badekappe" eingekleidet, auf den Stuhl gehoben wurde und
sie mir die stinkende Watte vor meine Nase hielten.
H. T., 50, Besucher. An einer Operation fände ich besonders schlimm, zu
wissen, dass den Ärzten oder Schwestern einen Fehler unterlaufen könnte,
sie sind auch nur Menschen.
Kaiserschnitt um Mitternacht. Wenn plötzlich das Telefon klingelt und
dir gesagt wird, dass du in fünfzehn Minuten im Operationssaal gebraucht
wirst.
Ich erinnere mich, als ich das erste Mal mit Mundschutz und Haube die
gefliesten Räume mit dem grellen Licht betreten hatte. Ich denke daran
wie sehr mich die Wärme des Patienten unter den sterilen Tüchern
irritierte. Wie mir schwindelig wurde. Frisches Blut riecht nach Eisen.
Koaguliertes Gewebe stinkt. Aber man gewöhnt sich daran.
A. S., 59, Rippenserienbruch. Ich hatte bis jetzt nur eine unangenehme
Erfahrung im Spital: Das Aufwachen aus der Narkose nach der
Gallenblasenoperation war unangenehm. Ein Gefühl wie Ersticken oder
Ertrinken.
J. Z., 61, koronare Herzkrankheit. Die Ärztin die die Untersuchung gemacht
hat war richtig witzig und gut drauf, aber trotzdem sehr professionell.
Nach langen Stunden wandelt sich der Himmel von schwarz über grau zu
blau. Erstes Vogelgezwitscher. Eine weitere Nacht gut überstanden, denke
ich, und trete nach dem Rapport in den Morgen hinaus. Ich wünsche meinen
Kollegen einen guten Tag während sie mich mit "schlaf gut"
verabschieden.
(Die Zitate sind in leicht abgewandelter Form echt und stammen von Freunden und Bekannten. Alter, Diagnose und Initialen sind frei erfunden.)
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