Sonntag, 27. November 2011

eisprinzessin

Ich habe die Tränen weg geduscht und ein Lächeln auf mein Gesicht gepinselt. Ich bin eine gute Künstlerin, denke ich und das Lächeln ist meine Königsdisziplin. Ich bin schön und stark, sage ich laut zu mir selbst, bis ich es glaube. Und ich schaue mir im Spiegel streng in die Augen. Schweig, habe ich das Loch zwischen meinen Lungenflügeln an geherrscht. Sei still, es hilft nichts mehr.

Barfuss schreitet die Eisprinzessin durch den Schnee. Weiss das Gewand, weiss der Schnee. Eisaugen, welche die Seelen jener fressen, welche unachtsam ihr Herz verschenken. Sie lächelt das unnahbare Lächeln jener, welche kein Herz mehr besitzen.

Kann man sein Herz gegen Stein eintauschen, frage ich die einäugige Hexe. Mein Herz soll einem Diamanten gleichen: schön, begehrenswert und unzerstörbar. Es würde glänzen und schweigen, denke ich. Und ich träume von der wunderbaren Stille in meiner Brust.

Warum muss Liebe jedes Mal in Leiden enden, frage ich, während der Wecker unerbittlich weiter tickt. Ich denke an seine Bernsteinaugen und schüttle traurig den Kopf. Entweder du verletzt oder wirst verletzt, erkläre ich dem Mondschaf. Es gibt keine anderen Optionen. Dies hatte mich die Vergangenheit gelehrt und sie war eine gnadenlose Lehrerin gewesen. Wieso sollte es jemals anders sein, sage ich anklagend.

Weiss in weiss. Der kalte winterblaue Himmel über uns. Meine nackten Füsse schmerzen im Schnee während ich die Arme enger um die Brust schlinge. Eisprinzessin, wer hat dein Herz in Kristall verwandelt, frage ich. Der Wind spielt mir ihrem langen Haar, zerrt an dem dünnen weissen Gewand. Verrate mir dein Geheimnis, bettle ich. Ich will werden wie du, denn die Liebe schmerzt zu sehr.

Was bezahlst du, fragt mich die einäugige Hexe und ihre Augen verengen sich als sie mich prüfend anblickt. Was immer du willst, sage ich - und bereue die Antwort sogleich. Jeder weiss, dass man sie stets zu teuer bezahlt. Die Einäugige führt mich grinsend durch die Regale der kleinen Kammer. Ich schau mir die Steinherzen an, die stumm aufgereiht auf den Brettern liegen. Es müssen Tausende sein, denke ich.

Schicht für Schicht grabe ich in meinen Erinnerungen. Schlaflos drehe ich mich im Bett und blättere durch die Seiten meinen Lebens. Gar was als Glück begann endete in glitzernden Scherben. Wie oft habe ich die Bruchstücke meines Herzens bereits wieder zusammen geklebt, frage ich die Stille der mondlosen Nacht.

Welches Herz willst du Kleines, fragt die Einäugige nach einer Weile. Ich schreite nochmals durch die Reihen, schaue mir jedes Einzelne an. Hat es keins für dich dabei, fragt sie höhnisch. Ich schüttle verzweifelt den Kopf und schaue sie ratlos an. Sie lacht. Du bist zu früh gekommen, Schätzchen. Und jetzt bezahle mich. Gib mir einen deiner Wirbel. Sie zückt ihr Messer. Als die Klinge meinen Rücken berührt, schrecke ich auf. Am Horizont zeigt sich der erste Schimmer des nahenden Tages.

Mit Bedacht wähle ich den schönen Pullover. Trinke den Kaffee und schenke meinem Spiegelbild ein Lächeln, sprühe Haarspray darauf. Ich darf es nicht verlieren. Nichte heute. Er wird da sein, denke ich. Eisprinzessin, ich bin nicht wie du. Noch nicht. Weil die verdammte Hoffnung zuletzt stirbt. Weil mein einfältiges Herz noch immer schlägt.

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