Sonntag, 6. November 2011

insomnia

Kennst du die Stunden, wenn sich die Minuten zu Ewigkeiten dehnen? Kennst du die Nächte in denen du wach liegst und dem leisen Ticken des Weckers auf dem Nachttisch lauschst, weil sich der Schlaf unter dem Bett versteckt? Nächte, wenn die Gedanken Runde um Runde im Grosshirn drehen, rastlos und unruhig? Es sind jene Fragen, auf welche es keine Antworten gibt, die mich wach halten, sage ich zu dir. Es ist der Schmerz über die Unmöglichkeit meiner Träume. Weil die Ungeheuer immer wieder hinter den Ecken hervor kriechen.

Zähle Schafe, hatte mir Papa jeweils geraten, wenn ich nicht einschlafen konnte. Insomnia war schon immer meine Begleiterin in jenen Nächten voller Zweifel. Leise steht sie im Zimmer. Silbern glitzern ihre kurzen Haare im Mondlicht. Ihre zerbrechliche Gestalt zeichnet sich vor dem nachtblauen Fenster ab, während ein feines Lächeln ihre Lippen umspielt. Sie ist die Herrin jener schlaflosen Ewigkeit, erkläre ich dir. Manche Dinge ändern sich nie, denke ich. Lediglich die Fragen sind andere geworden.

Hundert-achtundzwanzig, hundert-neunundzwanzig. Ich zähle die Sekunden. Ich zähle meine Atemzüge. Ich zähle die Ungeheuer mit ihren leuchtend grünen Augen und den kleinen scharfen Zähnchen, welche sie mir zeigen wenn sie fauchend durch meine Gedanken schleichen. Papa, glaubst du wirklich sie zu zählen hilft, frage ich die Stille.

Es ist der Fluch des Warums, sage ich zu dir. Hast du Antworten, frage ich wütend und schaue in deine Bernsteinaugen. Sag mir wieso, flehe ich.

Zweihundert-fünfzehn, zweihundert-sechzehn, zweihundert-siebzehn. Ich ergebe mich. Und lausche der endlosen Symphonie der Verzweiflung.

Ich denke an damals und beschwöre die Erinnerungen herauf. Damals war ich glücklich, denke ich. Und erinnere mich, wie ich mir jeweils im Spiegel selbst zu gelächelt hatte, bevor ich herum wirbelte und ins Leben zurück rannte. Es waren Sonnentage gewesen und die Nacht um mich herum scheint noch dunkler, als die Bilder in sich zusammen stürzen. Es ist eine Fatamorgana, sage ich traurig zu mir selbst. Sobald man sich nähert zerfällt sie zu Staub.

Dreihundert-zwölf, sage ich verärgert, weil ich schlafen muss. Und ich rechne wie viel Schlaf mir bis zum Morgen noch bleibt. Bereits jetzt hasse ich den Wecker, der dem Vergessen ein jähes Ende setzten wird. Fünf Stunden dreiundzwanzig Minuten. Verdammt. Und ich denke an den müden Tag, der mir bevor steht.

Die Stille drückt auf meine Ohren. Es ist die bleierne Stille einer Nacht, in welcher gewöhnliche Menschen schlafen. Irgendwo bellt ein Hund im Traum. Zwei Stimmen gehen durch die Strassen. Ein Auto fährt vorbei. Bevor sich die Tonlosigkeit wieder über die Stadt senkt und die Stille in meinem Kopf weiter dröhnt. Das Universum ist immer stumm, denke ich. Die Sterne schweigen, während die Menschen Lärm machen um nicht nachdenken zu müssen. In diesem Moment wünsche ich mir nichts sehnlicher als jenen Lärm, der meinem Grübeln ein Ende setzten würde.

Fünfhundert-zweiundsechzig, flüstere ich, bevor der Schlaf endlich sanft und leise mein Gehirn mit seinen Samthänden umfasst und meine Zweifel zum schweigen zwingt.

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