Donnerstag, 12. Januar 2012

regenstiefelgelb

Rot ist Blut und Blau das Meer. Gelb wie Sonnenblumen. Grün ist Hoffnung.

Die Tinte des Lehrers war rot. Rot war auch Mamas Lippenstift, den sie auftrug wenn sie ihn ihrem schwarzen Kleid und den hohen Schuhen ausging. Ich mochte Rot nicht, denke ich, weder die Tinte des Lehrers, noch die Abende wenn Mama das schwarze Kleid trug.

Irgendwann hatten sich die Nervenzellen in meinem Hirn so verknotet. Es hätte auch anders kommen können, sage ich mit einem Schulterzucken. Es wäre anders gewesen, wenn Mama nicht mit rotem Lippenstift ausgegangen wäre. Vielleicht würde ich dann Rot lieber mögen, sage ich zu dir.

Wir lachen, weil es nicht mehr wichtig ist.

Rote Rosen und Kerzenwachsweiss, sagst du. Gelb leuchtet die Strassenlaterne in der Nacht und Grün gestrichen sind die Wände des Operationssaals. Hellgrün, korrigierst du dich. Hellgrün.

Blau waren die meisten Kleider deiner Oma, erzählst du. Blau mit Blumen. Mit grossen gelben Lilien, mit weissen Margeriten, mit kleinen lila Orchideen. Die Hände deiner Oma rochen nach Spülmittel, sagst du und erinnerst dich an ihre schönen langen Nägel. Immer perfekt Rot lackiert.

Wenn du Spülmittel riechst, würdest du an Oma denken und das Blau ihrer geblümten Kleider sehen, sagst du. Und ich versuche mir die Bahnen in deinem Kopf vorzustellen die von Blau zum Spülmittel ziehen. Mein Blau besitzt den Geruch nach moderigen Bücher, denke ich. Blau mit Goldbuchstaben waren die Wälzer der grossen Enzyklopädie, die meine Eltern geerbt hatten. Wenn man sie zuknallte bildete sich eine kleine Staubwolke.

Weiss wie Schnee, führe ich unser Spiel fort. Winterblau. Regenstiefelgelb. Zuckerwattenrosa.

Die Flamingos im zoologischen Garten sind rosa, sagst du. Dein erster Füller war Gelb. Ein weisses Blatt Papier. Schwarz wie das seidene Fell deiner Katze.

Bei Zuckerwattenrosa drehen sich die Gondeln des Riesenrads, denke ich. Ich erinnere mich an das Glitzern der Stadt unter mir und an die Mischung aus Ehrfurcht und Angst, die ich empfunden hatte. Du kennst mein Zuckerwattenrosa nicht. Auch nicht mein Regenstiefelgelb. Weder das Gefühl mit den gelben Stiefeln in die tiefste Pfütze der Strasse zu hüpfen, noch meine Bestürzung über Papas Schimpfen.

Es ist bloss ein Spiel, denke ich. Gerade eben hatten wir noch gemeinsam gelacht, denke ich. Doch es stimmt mich traurig. Weil du nicht mit meinen Augen sehen kannst. Nicht mal du, denke ich. Weil in seinem Kopf jeder einsam ist. Einsam bleibt.

Elefantengrau. Marienkäferrot. Ich will die Unbeschwertheit des Nachmittags nicht zerbröckeln lassen. Schreibmaschinengrün. Ich erzähle dir vom Klackern der Texte die Papa schrieb während ich einschlief. Im Bett stellte ich mir vor wie er tippend fremde Welten erschuf.

Rot ist Blut und Blau das Meer. Gelb wie Sonnenblumen. Ich lächle. Du lächelst zurück. Weil du das Spiel verstehst. Und dies vielleicht ausreicht.

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